Mittwoch, April 26, 2006

Tschernobyl und Pfeifenputzer


Einen gewissen Menschenschlag kann man ja, alleine durch sein Äußeres, schon recht gut in eine gewisse Schublade stecken. Ich weiß, man soll, das nicht tun, aber in welche Kategorie würde man denn am besten eine Person mit Cargo Hose, großer Tasche aus der noch das ein oder andere Salatblatt ragt, Dreadlocks und einem seltsamen Haarschmuck, der diesen Pfeifenputzern ähnelt, einordnen? Richtig, das ist ein so genannter „Gutmensch“, in diesem Fall weiblich. Nun find ich diese Weltverbesserer grundsätzlich interessant, weil sie oft konsequent hinter ihren Vorstellungen stehen, doch irgendwann ist die Grenze erreicht.
Genau 20 Jahre nach Tschernobyl wünschte man sich, es hätte schon früher mehr Leute mit solchen Anwandlungen, an den richtigen Stellen gegeben, war aber nicht so. Dieser Umstand hat mir Heute einen Vortrag unter dem Titel „Tschernobyl, 20 Jahre danach“ beschert. Solch ein Vortrag ruft grundsätzlich dreierlei Personengruppen auf den Plan, diejenigen, die jetzt endlich wissen wollen was da los war, die Kernkraftbefürworter (die unverbesserlichen) und die weiter oben beschriebene Personengruppe. Ich selbst zähle mich zu ersterer, aber das nur nebenbei.
Durch meine nun doch schon mehrjährige Erfahrung als Hörer, hat man ein gewisses Gespür dafür entwickelt, zu bemerken, wenn ein Mithörer innerlich zu kochen beginnt. Von hinten aus betrachtet, fällt einem dieser Umstand durch unruhiges hin- und herrücken in der Bank, demonstratives weglegen des Schreibinstrumentes usw. auf. Genau diese Anzeichen waren auch bei beschriebenem Gutmenschen zu erkennen, als ein Prof. des Wiener Atominstitutes, seinen Vortrag zu den Folgen von Tschernobyl und der Kerntechnik allgemein gehalten hat. Auf die abschließende Frage: „Gibt es Fragen zum Vortrag von Prof. XY?“, ragte plötzlich, wie aus dem Nichts, eine Hand mit Freundschaftsbändern verziert, in die Luft. Ich hatte es befürchtet. Dem Prof. wurde eine ca. fünfzeilige, gut ausformulierte, recht umfassende Frage an den Kopf geworfen. Die Frage schaffte es, Wirtschafts- und Verteidigungspolitik des „bösen Westens“, Energiepolitik sowie Frauenpolitik unter einen Hut zu bringen und letztendlich der Kerntechnik, als Auslöser aller Probleme, alles in die Schuhe zu schieben. Das alles in einem Tonfall, in dem normalerweise unser Nachbar mit seinem Hund spricht, wenn er wieder einmal an seinen Sonntagsschuhen genagt hat. Empörung natürlich unter dem wissenschaftlichen Personal, aber durchaus Interesse seitens des ORF Kamerateams. Der Prof. war natürlich etwas perplex, aber auch um keine Antwort verlegen, auch die anderen drei Vortragendem standen dem Atomphysiker um nichts nach, doch Gutmenschen kämpfen bis zum bitteren Ende. Das Ende wurde mit dem Schlusssatz: „Es ist furchtbar wie der Mensch mit der Umwelt umgeht, aber was will man von dieser männerdominierten Kriegsgesellschaft auch anders erwarten!“, eingeleitet, natürlich alles im Tonfall vom Nachbarn. Aus lauter Empörung verließ die Dame dann, mit hochrotem Kopf, den Lehrsaal und murmelte am Gang noch etwas von „furchtbar“ und „schrecklich“, kurz davor ein Greenpeace Plakat zu zücken. Kurzum einer der spektakulärsten Vorträge in der letzen Zeit, gebracht hat’s genau nix.